Wie Phil Rudd mit Understatement einen der bedeutendsten Rock-Grooves der Musikgeschichte schuf
Über einen Groove, der so einfach scheint – und doch unerreichbar bleibt
Der Song als Monument
Er beginnt mit zwei Takten Hi-Hat und endet nie wirklich: Back in Black ist mehr als ein Hit – es ist ein globaler Gleichklang. Über 50 Millionen verkaufte Exemplare machen das Album zum zweitmeistverkauften der Musikgeschichte – nach Michael Jacksons Thriller – und zum bis heute erfolgreichsten Hardrockalbum. Doch all das wäre nur Zahlenwerk ohne jenen Beat, der den Song im Kern zusammenhält.
Phil Rudd spielt hier keinen Groove – er setzt ein Statement. Mit maximaler Ökonomie und einem Rhythmus, der wie das Rückgrat eines Mammuts wirkt: unbeweglich, aber lebendig.
Reduktion als höchste Form der Präzision
Phil Rudd spielt nicht gegen den Beat, er schmiegt sich von hinten an ihn an – das nennen Drummer „Late Back“. Seine Snare fällt bewusst minimal hinter die Zählzeit – und verleiht dem Song jene Spannung, die sich nicht messen, aber spüren lässt.
Der deutsche Stadionrock-Veteran Bertram Engel bringt es auf den Punkt:
„Er spielt die meisten Ghostnotes – ohne welche zu spielen.“
Diese paradoxe Ehrung fasst Rudds Spielweise perfekt zusammen: Was wie simple Achtel klingt, ist in Wahrheit ein mikroskopisch fein ausbalancierter Groove zwischen Kontrolle und Instinkt.
Der unterschätzte Moment: Das Mini-Fill
So spartanisch Rudds Spiel auf den ersten Blick wirkt, so fein ist es im Detail. Ein besonderes Beispiel dafür findet sich am Ende jedes Vier-Takt-Zyklus: ein unterschwelliges Fill, das sich perfekt in das Riff von Angus Young einfügt, es nicht kommentiert, sondern klanglich aufgreift.
Dieses Fill beginnt auf der zweiten Zählzeit des vierten Taktes mit einer rhythmisch reizvollen Dreiergruppe, bei der jeweils nur die ersten beiden Schläge gespielt werden – im Wechsel zwischen Snare und einer Bassdrum, die unisono mit der Hi-Hat erklingt. Abgerundet wird diese Figur durch zwei Snareschläge auf den mittleren Sechzehnteln der vierten Zählzeit – eine Art Echo, das weder aufdringlich noch verspielt wirkt, sondern als musikalischer Atemzug des Songs.
Übetipp für Drummer:innen:
Wer diesen unscheinbaren, aber hochwirksamen Fill reproduzieren will, sollte ihn mit einem Metronom ausschließlich auf der Snare üben. Dabei hilft ein lautes Mitsprechen der Hauptzählzeiten – „EINS, ZWEI, DREI, VIER“ – um die Position der Dreiergruppe im Taktkörper körperlich zu erfassen.
Denn: Was einfach klingt, ist noch lange nicht einfach zu spielen. Und wer diesen Fill überhastet, verliert den Groove.
Der Klang der Kontrolle: Sonor Phonic
Das Geheimnis hinter Rudds Durchsetzungskraft liegt nicht nur im Timing, sondern auch im Material. Sein Drumset: ein Sonor Phonic im Natural Oak Finish, gefertigt in Bad Berleburg. Die Kessel bestehen aus neun Lagen hochwertigem Buchenholz, bekannt für vollen Ton und enorme Projektion. Die 45°-Gratung sorgt für optimalen Fellkontakt und maximale Resonanz. In Kombination mit den variablen Montagesystemen konnte Rudd sein Set klanglich exakt zuschneiden – was man bei jeder Note spürt. Jeder Schlag sitzt. Und bleibt.
Paiste – Becken mit Biss
Begleitet wurde das Setup von Paiste Becken, deren Charakteristik klar und definiert ist. Gerade die Hi-Hat spielt in Back in Black eine tragende Rolle – nicht laut, aber stetig. Die Becken wirken nicht dekorativ, sondern dirigierend – sie rahmen den Groove, ohne ihn zu beschneiden.
Back in Black Drum Beat: Erst die dritte Single
Back in Black wurde erst als dritte Single veröffentlicht – und landete zunächst nur auf Platz 37 der US-Charts. Doch der Song wurde zur meistverkauften Single der Band. Heute ist er ein globales Referenzsignal: Toningenieur:innen nutzen ihn bis heute, um PA-Systeme einzumessen.
Denn: Klingt dieser Song klar, stimmt die Anlage. Klingt er matschig, stimmt was nicht. Es ist ein Prüfstein des Sounds – und des Grooves.
Fazit: Groove ohne Ego
Phil Rudds Beat auf Back in Black ist der Beweis, dass Musik nicht durch mehr, sondern durch das Richtige zur richtigen Zeit entsteht. Kein Takt zu viel. Kein Schlag zu wenig. Ein Groove wie eine Straße ohne Abzweigung – geradeaus, entschlossen, endlos.
Wer meint, diesen Song zu „covern“, muss mehr als die Noten treffen. Er muss das Weglassen begreifen.